Des Grafen fremde Federn – Graf Goertz, der Datsun 240Z und weitere Spukgeschichten

I. Einleitung

Schenkt man deutschen Autozeitschriften Glauben, liest man deutsche Bücher oder schaut man gar in internationale Publikationen zum Thema Nissan oder Datsun oder gar zur Nissan Fairlady Z, Datsun 240Z oder so ganz im Allgemeinen rund um das Thema japanischer Fahrzeuge, dann wird eines ganz schnell klar: Albrecht Graf von Schlitz genannt von Goertz und von Wrisberg lieferte damals die Entwürfe für das Design des Datsun 240Z.

Manche sagen gar, er ist der wahre Designer dieses Autos. Andere schreiben, es war seine Idee. Hier und da liest man sogar, dass er auch am Porsche 911 mitgearbeitet hat. Aber hat er? All das? Niemand ist sich sicher, und fragt man ein wenig nach, liest man mehrere Quellen, dann gibt es hier sichtlich keine allzu klare Linie, ob er nun Designer, Designchef oder Entwurfsentwerfer des Z war. So irgendwie hat er offenbar überall mitgemischt. Alleine. Von Amerika aus. Ohne Japanisch zu sprechen. Ohne Japan und Nissan allzu oft vor Ort besucht zu haben. Und ohne die Hilfe der japanischen Mitarbeiter von Nissan. Aber kann das wirklich so gewesen sein? Kann er alleine den Erfolg dieser Autos zu verdanken haben und wer bei Nissan war denn noch alles beteiligt? Man liest im deutschsprachigen Raum sehr wenig über KIMURA Kazuo , MATSUO Yoshihiko oder ITSUKI Chiba und YOSHIDA Fumio. Warum auch. Waren sie doch „nur“ japanische Mitarbeiter eines Großkonzernes und keine blaublütigen deutschen Designer, deren Visitenkarte fast ausschließlich der BMW 507 ziert.

Begeben wir uns also auf eine Reise voller Widersprüche, Zitate und abgeschriebenen Wiederholungen.

Federführend bei dieser Arbeit ist Florian Steinl, Datsun Enthusiast, Sammler tausender Nissan Dokumente und schon früh geprägter Fan der Marke. Ebenfalls gilt der Dank an diesen Zeilen Thorsten Link, deutscher Journalist, Redakteur und Moderator vieler Automagazine. Außerdem ist Alan Thomas, Carl Beck, Kats Endo, Brian Long und Ian Patmore zu nennen, die mit ihrem unermüdlichen Engagement das Thema Z seit vielen Jahrzehnten am Leben halten und bemüht sind, Fakten zu nennen und Belege zu finden.


„Aber, ich würde da keine schlafenden Hunde wecken. Es hilft keinem mehr, ob er daran beteiligt war, oder nicht.“

„Tja, das wird eine harte Nuß. Das mit dem Silvia steht sogar in den einschlägigen Nissan-Büchern. Aber, mehr kann ich echt nicht mehr gewissenhaft dazu schreiben. Ich glaube auch kaum, daß Du da jemand findest, der sich die Finger verbrennt.“
Der Präsident des Z- & ZX-Club Deutschland e.V. auf Facebook, Anfang Oktober 2022


II. Der Graf, sein Leben und der Weg nach Japan

Brauchte es also genau diesen einen deutschen Industriedesigner, um einer japanischen Automarke zum Erfolg zu verschaffen? Interessiert es überhaupt irgendjemand, wie es wirklich war und ob oder ob nicht Albrecht Goertz den Z entwickelt hat?

Die einen sagen „nein“. Andere sagen „ja“ – und genau für diese Menschen ist dieser Artikel gewidmet.

Aber fangen wir vorne an. Versuchen wir, die Person Goertz ein wenig besser zu verstehen und verschaffen wir uns ein Bild von einem Mann, der als „007 des Design“ (Tassilo von Grolman, Gründer des Deutschen Designer Clubs DDC) bezeichnet wurde.

Goertz kam 1914 auf dem Rittergut Brunkensen/Alfeld (Leine) zur Welt. Er machte eine Lehre bei der Deutschen Bank, ging nach London zu einer Privatbank, zog nach Los Angeles, montierte Flugmotoren, wusch und tunte Auto und entwickelte ein Talent als Zeichner von Hot Rods. Zudem änderte er seinen Namen von Görtz zu Goertz, um es für die Amerikaner einfacher zu machen.

In diesem Zuge gelang es ihm, ein eigenes Auto bauen zu lassen. Ein von ihm entworfene Karosserie, gesetzt auf das Chassis eines Ford Mercury. Er nannte ihn „Paragon“ und erhielt recht zufällig die Möglichkeit, dieses auf der Weltausstellung 1939 in San Francisco auszustellen. Ein wegweisender kleiner Erfolg, der seine Zukunft prägen sollte. Allerdings kam einer frühen Karriere als Designer oder gar Autobauer der Krieg dazwischen und er wurde 1940 in die Armee einberufen, war er doch kurz davor US Bürger geworden.

5 Jahren später kehrte er vom Militär nach Los Angeles zurück und besuchte seine Exfrau Julie „Luli“ Dorothea von Bodenhausen in New York. Sie war mittlerweile mit Paul Kolsman verheiratet und sie wohnten zusammen im Penthouse des Waldorf-Astoria Hotels. Sie hatten Goertz ein Zimmer im Hotel besorgt, wovor Goertz seinen selbst gebauten Wagen abstellte und ins Hotel ging. („You’ve Got To Be Lucky“ - Kapitel 5)

Dort sprach ihn ein ihm unbekannter Mann an, der wissen wollte, was das für ein Wagen sei. In seiner von sich überzeugten Art erzählte er bereitwillig davon, dass es sich um einen Ford handelte und dass er diesen in seiner Garage selbst gemacht hätte.

Der Fremde ist sofort begeistert und stellt sich als Raymond Loewy vor. Ein Industriedesigner und zu dieser Zeit mitsamt seiner Designfirma im Auftrag von Studebaker tätig. Loewy ist von Goertz Designarbeit begeistert und stellt diesen ein, nachdem Goertz zuerst ein Studium am Pratt Institute in Brooklyn absolvieren sollte.

„Kennst du Studebaker? Nein? Wir machen tolle Sachen. Arbeite für uns.“
Raymond Loewy
, vor dem Waldorf-Astoria, 1945, zitiert von Goertz in einem Interview mit Thorsten Link


Goertz verbrachte etwas über 2 Jahre bei Loewy, wird dann jedoch wieder vor die Tür gesetzt. Man schreibt ihm zu, in dieser Zeit verantwortlich für verschiedene Elemente der Studebaker Fahrzeugen gewesen zu sein. Wahrheitsgemäß aber eher in Teamarbeit. Die anderen Kollegen hingegen werden namentlich nie in Büchern erwähnt. Auch war Goertz zu dieser Zeit selbst noch im Studium und generell neu in der Branche.

„Aus Ihnen wird nie ein Designer. Schauen Sie, dass Sie eine reiche Frau heiraten!“- so heißt es in einem Artikel von Jürgen Lossau vom Film- und Fernsehmuseum Hamburg, der Goertz im April 2001 sprach.(Link zur Quelle)
Er verlässt das Studio von Loewy.

Doch Goertz gibt nicht auf. Er gründet sein eigenes Designstudio - Goertz Industrial Design, Inc. New York - er ist zu dieser Zeit 39 Jahre alt. (Link zur Quelle)

Kurze Zeit darauf passiert erneut eine schicksalhafte zufällige Begegnung.
Er geriet über Umwege an Max Hoffmann, der zu dieser Zeit als größter Autohändler in New York galt. Er vertrieb vor allem Luxusmarken aus Europa. Mercedes, Porsche sowie BMW und war ein angesehener Geschäftsmann.

So war es nicht verwunderlich, dass Hoffmann durch seinen Erfolg schon frühe Einblicke in die Planung neuer Modelle der Hersteller bekam - so auch bei BMW, wo ein Roadster-Sportwagenprojekt in Planung war.

Doch Hoffmann war nicht überzeugt von dem, was BMWs Designteam zu dieser Zeit vorzuzeigen hatte und er ging zu Goertz, den er zuvor auf einer Automobilausstellung kennengelernt hatte (Link zur Quelle). Er riet ihm, eigene Entwürfe anzufertigen und nach München zu schicken. Klinkenputzen, ganz nach Goertz Geschmack, der schon früh davon überzeugt war, der Beste von allen zu sein. Egal, um was es ging.

„Den könnte ich nicht mal verschenken, sei doch so nett und mache ein paar Entwürfe“ - so der Wortlaut Hoffmanns Goertz gegenüber - es ging um die Vorarbeit von BMW.
Interview zur Designarbeit am Steinway & Sons 125th Anniversary Limited Edition Grand Piano in 2005 - (Link zur Quelle)

10-12 Tage später dann die Antwort per Telegram. Er möge nach München kommen und bei BMW vorsprechen.

Goertz Arbeit punkte und er schaffte es, BMW für sich zu gewinnen. Im Januar 1955 wurden Verträge geschlossen und er zeichnete den BMW 507 und im Anschluss den 503. So heißt es. Die eigentliche Arbeit war nämlich von Kurt Bredschneider - wird aber fälschlicherweise Goertz zugeschrieben.

„Der BMW 507 ist ein Roadster von BMW. Das wie der BMW 503 von Albrecht Graf von Goertz entworfene Modell gilt als Ikone des Automobil-Designs.“, so der bmw-veteranenclub.at

Beide landeten im Spätsommer 1955 auf der IAA in Frankfurt und die Autos wurden als voller Erfolg gefeiert, denn BMW schaffte es so, einen „Gegner“ für den 300SL von Mercedes zu zeigen, der gleichzeitig DIE Visitenkarte für Goertz werden sollte, der ansonsten eigentlich kein wirklicher Autodesigner war. (Link zur Quelle)(Link zur Quelle 2)

Doch wie schaffte der in New York arbeitete Goertz es, in so kurzer Zeit, BMW etwas Handfestes zu liefern? Er besuchte BMW zwar mehrfach, arbeitete aber zentral von New York aus.

Der Trick war - und das ist sehr wichtig für später - dass er riesige Tonmodelle erstellte und diese per Schiff nach München transportieren ließ.

Durch diesen Prozess konnte er BMW von seiner Designleistung überzeugen - zumindest bei manchen BMW Mitarbeitern.

Denn sein von sich überzeugtes Auftreten kam nicht immer gut an und er eckte, wie zuvor bei Loewy, sehr an. So trennten sich auch die Wege von Goertz und BMW, wo manche Manager so gar nicht mit ihm einverstanden waren. (Link zur Quelle)

Doch Goertz war längst wieder in New York, als ihm BMW-Vorstand Hans Grewenig ein Telegram schickte. „Der 507 ist der Star der Ausstellung! Gratulation!“

Der Wagen erlangte weltweites Ansehen. So auch Goertz, der mit seiner arroganten Art fest davon überzeugt war, dass nun alles möglich sei. Dennoch wurde nur etwas über 250 Exemplare des BMW 507 verkauft.

„Wenn ich jemand mit einem Auto emotional ansprechen kann, gelingt mir das auch mit einem anderen Produkt“ - so Goertz nach seinem Deal mit BMW. (Link zur Quelle)

Und er sollte Recht behalten. Er wurde beauftragt von Agfa, Kienzle, Rowenta. Er entwarf Toaster, Uhren, Stifte und sogar Stühle für die mexikanische Regierung. Er arbeitete wie besessen und war mehr und mehr davon überzeugt, dass nur er den Weg zum Erfolg kannte.

Er tolerierte keine Meinung neben der seinen und überrumpelte viele mit seiner Art. Er fordert. Er befiehlt. Er strebt nach dem Maximalen, Größten. Wo er ist, ist vorne.

„Ich wollte immer der Erste sein“
So Goertz im Buch „Autos die Geschichte machen“ von Joachim Kuch


So liegt es nah, dass er sich 1958 vornimmt, ein Design für den Porsche 356 Nachfolger zu designen. Er fertigt ein Tonmodell an und bewirbt sich 1959 bei Dr. Ferry Porsche. Doch dieser lehnt ab. „Das ist ein Goertz, kein Porsche“. Kurz davor lernt er zudem Ferdinand Alexander „Butzi“ Porsche kennen, dem Goertz rät, mit dem Studium aufzuhören und stattdessen im Porsche-Karosserie-Stylingstudio praktische Erfahrung zu sammeln. „Das war vielleicht mein größter Beitrag für Porsche“, wie Goertz sagt. Der zukünftige Erfolg Porsches fußt also auf dieser von ihm großspurig erteilten Empfehlung.
AutoBild Klassik, Februar 2011



Aus dieser „Zusammenarbeit“ resultieren einige Zeitungsartikel, die ihn als Vater des 911 bezeichnen.

So schrieb z.B. Terry Greenfield in Automobile Quarterly, The Origin of the Species im Jahre 1986 folgende Zeilen: „He returned briefly to his native land to work on the 911 project for Porsche. (…) After BMW Goertz worked for Porsche, where he helped develop the styling for what would become the 911.“

„Er kehrte kurzzeitig in sein Heimatland zurück, um für Porsche am 911-Projekt zu arbeiten. (...) Nach BMW arbeitete Goertz für Porsche, wo er das Styling des späteren 911 mitentwickelte.“

Oder auch:

„Goertz spent time with Porsche, where he was part of the team behind the 911.“

„Goertz verbrachte einige Zeit bei Porsche, wo er Teil des Teams hinter dem 911 war.“

(Link zur Quelle)

Doch klingt das plausibel? Denn wie wir wissen, ist genau das nicht passiert - war doch auch der 911 zu dieser Zeit maximal als 901 in Planung. Die Änderung des Namens kam erst viel später.

All das ist aber nicht wichtig. Wichtig ist, was hier gerade passiert. Goertz gelingt es, durch seine überhebliche Art, Zusammenhänge nicht zu verneinen und durch die Arbeit der Presse einen gewissen Ruf zu erhalten und sich ein Werk zuschreiben zu lassen, der sich durch ständiges Wiederholen zur Wahrheit werden lässt. Und genau das sehen wir auch bei Nissan Silvia, Yamaha A550X und Datsun 240Z an spätere Stelle.

Denn sind wir ehrlich. Welches Porsche Buch berichtet über den Einfluss Goertz am Porsche 901 oder gar 911? Welcher Porschefahrer berichtet stolz, dass Graf Goertz einen großen Einfluss auf diese Legende hatte?


Die Porsche-Konstrukteure Willi Vetter, Karl Vettel, Georg Urbanczik, Rudi Maier und Walter Huettich im Jahr 1958.

Geprägt von seiner Zeit in Amerika und seinem Körperbau - er ist verhältnismäßig groß und schlank - hält er an dem gegenwärtigen Straßenbild in den Vereinigen-Staaten fest. Autos müssen groß sein! Das steht für ihn fest. Denn er sieht die Zukunft des Automobils in den USA.

Was aber in den USA nicht sieht, sind Fahrzeuge aus Japan - er wittert eine Chance und beschließt im Winter 1961 nach Japan zu gehen und sich mit japanischen Firmen über seine Vision zu unterhalten.

In einem späten Interview mit Thorsten Link berichtet Goertz, wie er in den Flieger gestiegen ist und in Japan zum Taxifahrer gesagt hat, dass er zu „Mr. Honda“ gebracht werden will. Dort an der Pforte angekommen, wird er Soichiro Honda höchstpersönlich in Empfang genommen, der sein Erstlingswerk, den BMW 507 kennt und schätzt. Dieser Schwank aus seinem Leben wird von Goertz bei jeder Gelegenheit erzählt und man findet ihn in fast all seinen Erzählungen. (Link zur Quelle)

Doch Honda findet keinen Gefallen am Grafen. Zu frech ist seine Art. Zu eingebildet und kompromisslos sind seine Forderungen. „Baut Autos für die USA! Ihr seid doof, wenn ihr es nicht tut.“ So seine Worte zu Thorsten Link in einem Gespräch.

Aber der Graf gibt nicht auf. Er klingelt bei Toyota, Mazda, Seiko, Fuji und Sony. Also tatsächlich nicht unbedingt nur Firmen, die Autos bauen. Der Graf ist offenbar auf der Suche nach potenziellen Kunden, hatte er doch seiner Frau am Silvesterabend 1961/1962 mitgeteilt, dass er nach Japan wolle. Ohne vernünftigen Hintergrund, einfach so, als spontane Eingebung.
AutoBild Klassik, Februar 2011


III. Nissan Silvia / Datsun Coupe 1500 / CSP311 (1964–1968)

„Alle acht Wochen ist er in Yokohama, wo ihm fünf Designer unterstellt sind. Goertz entwirft das auf dem Nissan Roadster basierende Silvia Sportcoupé CSP311, das im September 1964 in Tokio präsentiert wird.“
AutoBild Klassik, Februar 2011

„Sein Erstlingswerk für den Nissan-Konzern: das Silvia Coupé von 1964, ein hübscher, wenn auch braver Stufenheck-Zweitürer auf Basis der Fairlady, gebaut lediglich 554 Mal.“
Alles Auto Exklusiv, 7-8 2021

„Eine andere Beauty auf dem Weg zur Miss Japan 1969 hörte auf den Namen Silvia. Albrecht Graf Goertz (…) schneiderte Silvias tailliertes Kleid (…).“
Auto Motor Sport, 2003

„Goertz (…) entwarf den Silvia (…).“
Auto Zeitung Classic Cars, Dezember 2019

„Das zukunftsweisende Design der Silvia stammte von dem deutschen Designer Albrecht Graf Goertz, der auch die Grundzüge des erfolgreichen Z 240-Coupés entwarf.“
Motor Klassik, Briten-Roadster trifft Japan-Rivale, 2014

„Auch diesmal mit Erfolg, denn er beglückte seine neuen Auftraggeber mit einem zierlichen Zweitürer, der in seiner Heimat Datsun Silvia hieß.“
Markt - Klassische Automobile und Motorräder, Dezember 1992

„Einige Jahre später entwirft er für Nissan (…) den Datsun Silvia.“
BMW - Mobile Tradition live, 2004

„Goertz suchte 1961 den Kontakt zu Datsun und fand dort offene Türen. Aus dieser Zusammenarbeit erwuchs das Silvia Coupé (…).“
Oldtimer Praxis, September 1998

„Albrecht Graf Goertz war verantwortlich für die Formgebung des Datsun Silvia Coupés 1500. Für den Nachfolger, den 240 Z, hatte er lediglich Vorschläge gemacht. Goertz ist also nicht Schöpfer des legendären Z-Sportwagens, auch wenn er dies zeitlebens anders bewertete.“, zieht Autochronist Eberhard Kittler gegenüber OLDTIMER MARKT einen Schlussstrich unter die Akte.“
Oldtimer Markt, März 2023


„Nissan Silvia Coupé (1966) - Graf Goertz änderte fast jede Linie am ursprünglichen Design von Kimura.“
Zwischengas.com, 2012


„Und ist es profund zu nennen, wenn das Design des Nissan Silvia mal wieder Albrecht Graf Goertz zugeschrieben wird, obwohl der Designer Kazuo Kimura hieß? Mit einem Wort: Nein.
AutoBild Klassik über das Buch "Legendäre japanische Sportwagen", August 2022

„Albrecht Goertz runs his own industrial design office in New York City. Although he has other automotive successes to his credit (notably the handsome little Nissan Silvia coupe, never sold in the United States, more's the pity), he has not confined himself to cars, designing everything from movie cameras to furniture for Mexican schoolrooms.“
Road & Track, März 1971


Atmen wir kurz durch und versuchen wir, die Inhalte dieser hier ausgewählten deutschsprachigen Artikel zu verstehen. Goertz entwirft ein Silvia Sportcoupé. Es ist sein Erstlingswerk für Nissan. Er schneidert das Kleid dafür. Er beglückt seinen Arbeitgeber mit dieser Schönheit. Allerdings geschieht all das in Zusammenarbeit mit Nissan. Und das, obwohl Goertz eigentlich eine „one man show” war, die „gerne alleine arbeitete“ (Markt - Klassische Automobile und Motorräder - 12/1992). Wie ist das zu deuten? War sein Kredo doch immer, dass er große Autos für die USA bauen wollte, weil er hier die Zukunft des Automobils sah. Doch war der Nissan Silvia nach dem Export in die USA doch von vorneherein „zu klein und untermotorisiert“ (AutoBild Klassik, Februar 2011) und somit kein Erfolg in Amerika. Also eigentlich genau das Gegenteil von dem, für das Goertz immer stand. Passt das zusammen? Ergibt das etwa Sinn für jemanden, der Entwürfe für ein Auto liefert, mit denen er seinen Auftraggeber beglückt?

Doch springen wir dafür ein wenig in der Geschichte und fliegen nach Japan zu Nissan. Dort wurde nämlich bereits vor der Einstellung von Goertz als Berater an einem Auto gearbeitet, das den Namen Datsun 1500 Coupé CSP311 tragen sollte und auf dem zuvor gebauten Nissan Fairlady Roadster basierte. Federführend war an dieser Stelle KIMURA Kazuo, der schon lange Jahre für Nissan arbeitete und schon zuvor viele Modelle entwarf.

Von ihm stand zudem die Aussage, dass das Coupé-Projekt ohne Genehmigung der Konstruktionsabteilung begonnen wurde und dass es nie einen eigenen Entwicklungscode, wie z.B. der A550X bekommen hatte.

Die wichtigsten Skizzen für den späteren Silvia stammen vom März 1963 und zeigen etwas, das dem endgültigen Design sehr nahekommt. Ganz ohne Goertz. Die Rückansicht dieser Skizzen ist mit dem fertigen Prototyp und dem Serienmodell nahezu identisch. Zudem sollte es, wie zu dieser Zeit sehr gefragt, Klappscheinwerfer geben. Letztendlich entschied man sich jedoch für vier feste runde Scheinwerfer, da sich die versenkbare Form als schwierig erwies und den amerikanischen Sicherheitsstandards nicht genügt hätte. Die Skizzen zeigen ganz klar eine Fließheck-Karosserie, die von Anfang an Teil des ursprünglichen Design-Briefings war. Allerdings sollte sich der Winkel der C-Säulen später ändern und lässt sich, wenn man ein paar Büchern glauben mag, auf Goertz zurückzuführen. KIMURA sagt, er habe Schwierigkeiten gehabt, die Karosserieseite und die C-Säule des Entwurfs zu modellieren, der vom Kotflügel zur Karosserieseite und zur C-Säule übergeht. Das merken wir uns. Denn das ist wichtig für den späteren Verlauf.

Seinen Ursprung hatte das Design und die Namensgebung übrigens schon 1959 mit dem Bluebird (Trommelwirbel: Modellcode WP311). Auf dieser Plattform bauten die späteren Modelle CSP311, SP311 und SR311 auf und blickt somit zurück auf die vorherige Namensgebung 211 und 110. Hier führt als eins zum anderen, auch ohne adelige Hilfe.

Die unten abgebildeten Skizzen und Recherchen basieren übrigens auf den Arbeiten von Ian Patmore, dessen ausführlichen Hintergrundinformationen man hier nachlesen kann.


„Am Neujahrstag des Jahres 1960 wurde ein Erinnerungsfoto aufgenommen. Es war eine Aufstellung aller Mitarbeiter der ZOKEI-Abteilung (Kreativ-/Handwerks-/Modellbau), die auf dem Dach des zweiten Gebäudes des Nissan-Designbüros in Takara-cho, Kanagawa-ku, Kanagawa-ken, posierten.

Von rechts nach links, vordere Reihe: TESEN Masamichi, IIZUKA Hidehiro, SAN0 Isao, KAJIWARA Hidetoshi, TAKAHASHI Yoshiharu, TARUI Aki und IDA Isamu.

Von rechts nach links, hintere Reihe: NAGA Nobuo, KITAGAWA Yu, OOTA Yukio, SUZUKI Sensuke, KANNO Shizue, CHIWATA Masaru, YOTSUMOTO Kazumi, TAKAHASHI Takeharu, WATANABE Hirobumi, SAKAIDA Jun und KIMURA Kazuo

Die meisten von ihnen tragen die Uniform der Kreativabteilung.“

KIMURA wird weiterhin zitiert: „Die Form des vorderen Kühlergrills wurde an einem Tag festgelegt, und die Zeichnung mit den Designanweisungen wurde in einer Stunde erstellt. Da das Nummernschild nicht gut auf die Ober- und Unterseite des hinteren Stoßfängers passte, teilte ich ihn in zwei Teile und setzte die Nummernbeleuchtung in den ausgeschnittenen Stoßfänger. Im Mai 1963 war die Konstruktion des CSP311 fast abgeschlossen.“

Wir fassen also zusammen. Im März 1963 gab es bereits Entwürfe, Designs und ein Konzept für dieses Fahrzeug. Im Mai 1963 war dieses „fast abgeschlossen“. Genau zu der Zeit, als Goertz offiziell von Nissan angestellt wurde. Genau im Mai 1963. Grund dafür war, dass Nissan massive Probleme darin hatte, Tonmodelle der Entwürfe in 1:1 zu modellieren. Eine Technik, die sie versuchten, über externe Firmen zu erlernen oder diesen Prozess an externe Firmen auszulagern. Nissan wandte sich daher 1963 an Creative Industry, ein Unternehmen mit Sitz in Detroit, das Tonmodelle für Fahrzeugdesigns lieferte. Bei diesen Tonmodellen handelte es sich um sogenannte Urmodelle in Originalgröße, von denen für die Produktion Gussformen hergestellt werden konnten. So beschloss Nissan ebenfalls, diese Technologie für den zuvor entworfenen Datsun Bluebird zu nutzen. Diese Vorgeschichte ist daher so spannend, weil daraus das große Problem klar wird, das im Zusammenhang mit Goertz sehr relevant ist.
Nissan verwendete damals Ton aus Holzwachs, das in Japan in Kerzen und Schreiben und Tempeln verwendet wurde. Dieses harte Wachs war sehr schwer zu verarbeiten. Erst durch die Hilfe von Creative Industry lernte Nissan ein Wachs der Firma Chavant kennen. Ein rotes Material, was sich bei geringer Hitze sehr leicht verarbeiten ließ. Dazu kommt die Tatsache, dass Nissan zuvor immer nur Modelle im Maßstab 1:4 herstelle und nicht die Fähigkeiten innerhalb der Entwurfsabteilung hatte, Modelle in der Originalgröße zu bauen. Was jedoch für die weitere Entwicklung immer wichtiger wurde.

Dieses Problem wurde durch die Einstellung von Goertz gelöst, der der Styling-Abteilung beibrachte, wie man das Modellieren in Originalgröße bewerkstelligte und welche Materialien und Werkzeuge man dafür verwendeten musste. Ein Talent, dass er schon viele Jahre besaß.

Laut NAGATA Shigeru, einem Nissan-Mitarbeiter, der als Übersetzer von Goertz eingesetzt wurde, half dieser bei der Umsetzung von KIMURAs Entwurf des CSP311 in ein maßstabsgetreues Modell und gab gute Ratschläge zum Tonmodellieren. Das maßstabsgetreue Modell des CSP311 wurde auf Wunsch von Goertz in einen großen Raum gebracht, in dem der tatsächliche Tonentwurf aus verschiedenen Blickwinkeln überprüft werden konnte.

Erst durch diese neuen Methoden schaffte Nissan einen neuen Beruf im Unternehmen: Tonmodellbau.



Geprägt durch Bertone, Ghia oder Michelotti schwappte zu dieser Zeit der europäische Trend zu scharfem Design bis nach Japan. Maßgeblich von dieser Designsprache beeinflusst war - als Benchmark für das Nissan Coupé sozusagen - war der Hino Contessa 900 Sprint, designt von Giovanni Michelotti und gezeigt auf der 9. Tokyo Motorshow im Jahre 1962.

Durch die Entwicklung der 1:1 Tonmodelle und das Erlernen dieser Technik von Goertz wurden so einige kleine, finale Änderungen am Grundentwurf vorgenommen. Dem Graf ist es so höchstwahrscheinlich zu verdanken, dass der Winkel der C-Säule ein anderer ist, als eingangs von KIMURA entworfen. Auf der kommenden 10. Tokyo Motor Show sollte der CSP311 Prototyp schlussendlich debütierte.



Das sollte so allerdings nicht passieren. Denn dieser Prototyp wurde den Führungskräften von Nissan und dem Präsidenten von Nissan, KAWAMATA Katsuji, auf einer kleinen Teststrecke im Nissan-Werk Tsurumi und in den Konstruktionsbüros gezeigt. Dies war das erste Mal, dass der Präsident das Auto sah (Wir erinnern uns. Es war ein Geheimprojekt ohne jegliche Genehmigung.), und es gefiel ihm nicht. Der Präsident sagte: „Ich kann es nicht in die Ausstellung bringen!” KIMURA wurde daraufhin angewiesen, einen Produktionsplan zu erstellen und erst dann weiterzumachen. Daraufhin wurde mit der Entwicklung für die Automobilausstellung 1964 begonnen. Damit wurden die Pläne für die in wenigen Tagen stattfindende Tokyo Motor Show auf Eis gelegt. Bei Nissan galt die allgemeine Regel, dass auf den Automobilausstellungen nur Autos gezeigt wurden, die für den öffentlichen Verkauf bestimmt waren. Der Prototyp hatte noch keine Freigabe für den Verkauf erhalten und war von Anfang an nur mit großem Aufwand und in Handarbeit von Yamaha zu fertigen gewesen. So wie es in dieser Zeit oft gemacht wurde.

Trotz der Abneigung von KAWAMATA gegen das Auto, stellte Yamaha bis Ende 1963 ein zweites Datsun 1500 Coupé-Showcar fertig, und etwa zur gleichen Zeit wurde ein laufender Prototyp gebaut. Es wurde auch ein Prototyp mit Linkslenkung gefertigt, wahrscheinlich als die Produktion für die Rechtslenkung freigegeben wurde und Nissan prüfte, ob das Konzept auch mit Linkslenkung funktionieren würde. So war schon zu dieser Zeit der Plan gefasst, einen kleinen Teil der Produktion für den Export in die USA vorzubereiten.

Da der einzuhaltende Zeitplan jedoch nicht alleine von KIMURA zu schaffen war, kamen weitere Designer ins Team. YOSHIDA Fumio, NAKAMURA Haruyoshi, MATSUMOTO Seijiro, SASAKI Kenichi, MACHIDA Toru, TAMURA Kumeo sind Namen, die neben vielen anderen leider viel zu selten erwähnt werden. Es war also ein Team, das hier im Team arbeitete. Keine „one man show“. Besonders wichtig ist hier zudem zu erwähnen, dass TAMURA und YOSHIDA später im S30 Projekt beteiligt waren.

Im März 1964 jedoch dann ein Fiasko. Die Kosten in der Herstellung wären zu massiv, zu unwirtschaftlich, um bei Yamaha die Blecharbeiten per Hand zu erstellen. Daher wurde kurz vor der Produktion entschieden, alles ins Nissan nahe Tonouchi-Werk auszulagern, wo Metallpressen diesen Prozess übernahmen. Das kam bei Yamaha nicht gut an, die zuvor den Auftrag für die Serienproduktion dieses Wagens bekamen. Doch Yamaha sammelte die Entwürfe, die Konstruktionszeichnungen und übergab sie an Nissan.


Albrecht Geortz, KIMURA Kazuo und YOTSUMOTO Kazumi

Der Wagen debütierte auf der 11. Tokyo Motor Show im Oktober 1964 als Datsun 1500 Coupé. Nicht als Nissan. Denn erst bei Motoren oberhalb der G-Serie (1500 / 1488 cm³) wurde der Markenname Nissan verwendet - Silvia folgte später erst als Modellname. Grund dafür war, dass erst kurz nach der Messe und kurz bevor dem Produktionsstart ein Motor der R-Serie (1600 / 1595 cm³) aufgrund von Laufruhe bei höheren Drehzahlen eingebaut wurde.

Schlussendlich, so zeigte die Geschichte, war das Auto kein Erfolg. Zu teuer für Japan, zu klein und zu unsportlich für die USA. Exakt das Gegenteil also, für das Goertz immer stand und was er immer tun wollte. Niemals wollte er einen in Hand gebauten kleinen Wagen für eine kleine Zielgruppe in den USA verantworten. Das war nicht "Think big". Zumal dieses Auto auch nie primär für die USA geplant war, was die Anzahl links gelenkter Silvias sehr gut zeigt.

Passt das also zu all den Zitaten in deutschen Zeitschriften? Passt es zu einem Designer, der seinen Auftraggeber beglückte? War er der Designer oder der, der die Entwürfe lieferte? Ganz klar, Nein. Er war aber der, der Nissan half, diesen Wagen zu bauen. Denn vermutlich wäre es für Nissan nie möglich gewesen, zu dieser Zeit und mit lediglich 1:4 Modellen und in dieser Geschwindigkeit ein Fahrzeug im eigenen Team zu entwickeln und schlussendlich basierend auf den kleineren Tonmodellen fertige Autos zu produzieren.

KIMURA fasst die Geschichte folgendermaßen zusammen:
„Ich wollte für Herrn Shozo Sato arbeiten, der damals Chefdesigner von Nissan Motor war. Leider verließ er das Unternehmen nach nur einem Jahr, und ich bekam nicht viel Anleitung von ihm, aber in meinem fünften Jahr wurde ich mit dem CSP311 (Silvia) betraut und war mit nur drei Designern für die Entwicklung des Exterieurs, des Interieurs und des Emblems verantwortlich. Im Laufe des Projekts kam der deutsche Designer Albrecht von Goertz als Berater zu uns und gab uns Ratschläge, die einen bleibenden Eindruck hinterließen. Dieses Auto wurde 1964 auf dem Autosalon als "Datsun 1500 Coupe" vorgestellt und ab 1965 als Nissan Silvia verkauft.“

Sind es also die Ratschläge und Anpassungswünsche an der C-Säule, die ausreichen, um den Grafen als Designer des Silvia zu bezeichnen? Urteilt bitte selbst.


IV. Projekt A550X

Parallel zu Silvia hatte bei Nissan die Arbeit an einem modernen GT begonnen. Ziel war es in Zusammenarbeit mit Yamaha einen modernen sportlichen Wagen zu entwickeln.

Yamaha sollte dabei die Motoren liefern und den Prototypen bauen. Wie die Geschichte zeigte, wurde aus dieser Zusammenarbeit jedoch nichts. Vielmehr fanden Designelemente den Weg zu Toyota, die daraus den Toyota 2000GT entwickelten bzw. vielmehr selbst an einem Sportwagen arbeiteten und Yamaha für die Entwicklung des Motors beauftragten. Yamaha übernahm dabei die Fertigung und Entwicklung des Prototyps.

Wie bei Nissan üblich wurde auch der 2000GT von einem Team innerhalb des Unternehmens entworfen und es fällt schwer, einen Einfluss von Goertz an irgendeiner Stelle zu sehen. Dazu später mehr.

Was aber nicht so schwerfällt, sind die Gemeinsamkeiten zum Toyota 2000GT. Wobei dieser jedoch in Serie gebaut wurde. Allerdings ohne wirtschaftlichen Erfolg. Das Auto floppte. War doch die Produktion in Handarbeit schlichtweg zu teuer - das kennen wir ja bereits von Nissan (siehe oben).



Aber zurück zum A550X, über den hierzulande kaum etwas zu lesen ist. Denn dazu kommt es nicht, wird doch direkt der deutsche Graf als Designer des Zs tituliert. Nur wenn dies nicht der Fall ist, die Situation mit dem Z etwas entschärft wird, wird direkt eingeschoben, dass er jedoch den Prototypen A550X von Yamaha gezeichnet hat. Was für ein Durcheinander.

Doch woher kommt das?

Er selbst schreibt in seiner Biografie „You've got to be lucky“ Folgendes:

„Der Metallprototyp, der nach meinem Design und meinen Spezifikationen hergestellt wurde, wurde an Nissan geliefert und das Projekt kam zum Stillstand“

Er schreibt weiter, zeigt jedoch nie Bilder. Weder von dem einen, noch von dem anderen Modell:

„Zusätzlich zu dem von Yamaha nach meinem Entwurf entwickelten Metallprototyp hat Nissan eine Glasfaserversion davon hergestellt.“



Liest man jedoch im Nostalgic Hero Magazin 51 vom November 1995, dann findet man folgende, spannende Zeilen:

„Es sind Gerüchte aufgetaucht, dass es Goertz war, der den Silvia und Nissan A550X, entworfen hat. Der Artikel, dem dies entnommen ist, wurde mit "besonderem Dank an Kimura Kazuo" geschrieben, um das Design der Silvia (CSP311) richtigzustellen.

Es hat den Anschein, dass Kimura genauso viel, wenn nicht sogar mehr Einfluss auf dieses (A550X) Projekt hatte als Goertz, vor allem wenn man seine tatsächliche Zeit in Japan (Goertz) berücksichtigt, ganz zu schweigen von seiner Zeit bei Yamaha.

Wenn man sich die Zeitachse anschaut, war Goertz Vertrag mit Nissan ab Mai 1963 für ein Jahr, also bis Mai 1964. Das A550X-Projekt wurde kurz vor dem CSP311-Projekt begonnen, wahrscheinlich in den ersten Monaten des Jahres 1963, und dann (im Mai) gestoppt, um sich auf den CSP311-Prototyp zu konzentrieren. Das A550X-Projekt wurde im Frühjahr 1964 wieder aufgenommen. Entweder arbeitete Goertz außerhalb seines Vertrags bis zum Ende der Nissan/Yamaha-Partnerschaft im September 1964 (unwahrscheinlich), oder er leistete einen gewissen Beitrag, oder er hat einfach alles innerhalb eines begrenzten Zeitraums vor dem Ende seines Vertrags bei nur einem Besuch in Japan fertiggestellt?“

Wieder also eine Leistung, die er als One-Man-Show innerhalb kürzester Zeit aus dem Ärmel schüttelte.

An dieser Stelle lohnt es sich, auf ein Zitat über MATSUO einzugehen, dass die Zusammenhänge etwas besser erklärt. (Link zur Quelle)

„Zu dem Zeitpunkt, als er (MATSUO) das Sportwagen-Styling-Studio bei Nissan übernahm, hatte KIMURA Kazuo, der mit Goertz zusammenarbeite, das Unternehmen verlassen. Es wurde nichts von dem Yamaha/Nissan-Projekt übernommen. Wie denn auch. Der einzige Kontakt zwischen den Designteams bei Nissan und Yamaha ist auf YOSHIDA Fumio zurückzuführen, der das Interieur von CSP311, sowie A550X verantwortete. Nur er besuchte während diesen Arbeiten Yamaha, was sogar von TAMURA Kumeo bestätigt wurde.“

Goertz hingegen wird etwas später zitiert, dass die einzelnen Designteams bei Nissan voneinander separiert arbeiteten, um Konzepte und Ideen nicht miteinander zu vermischen. So sollte individuelle Kreativität gefördert und verschiedene Designansätze entwickelt werden.

Hält man also noch immer an der Idee fest, dass Goertz den A550X gezeichnet hatte und dass das finale Z Design darauf beruhte, muss er schlussendlich in all diesen Teams mitgewirkt haben. Während er schon nicht mehr im Unternehmen war und das, obwohl auch er erst Jahre später den 240Z zum ersten Mal sah. Das passt also grundlegend nicht zusammen.

Die Geschichte ist vielmehr folgendermaßen zu erzählen, schaut man auch hier die Recherchen von Ian Patmore genauer an:

Wir müssen hierbei nämlich in der Zeit etwas weiter zurück reisen und ein wenig mehr von Yamaha berichten. Yamaha war (und ist), wir wir wissen, ein Hersteller von Motorrädern und beteiligte sich erfolgreich daran, die boomende Nachfrage an Krafträdern zu stillen.
In den späten 50er Jahren versuchte Yamaha dieses Wissen auf den Bau von Autos anzuwenden und wollte in der neu geschaffenen K-Klasse (Kei Cars waren zu dieser Zeit Autos bis 360 cm³ oder weniger, für die sehr günstige Steuer- und Zulassungsbedingungen galten.) Fuß zu fassen. Allerdings wurde der Markt von deutlich erfahreneren Konkurrenten überschwemmt. Yamaha zog sich zurück und beschäftigtet sich damit, eine eigene Nische zu finden.

Aus Yamaha heraus wurde das Yamaha Technology Institute gegründet. Federführend dabei waren ONO Shun und YASUKAWA Tsutomu, die auf einer Reise durch Amerika und Europa Wissen und Inspiration sammelten. Sie stellten fest, dass die Sport- und GT-Wagen meist noch in Einzelanfertigung und von Hand herstellt wurden und nicht in der Massenproduktion, wie das bei anderen Fahrzeugen bereits der Fall war.

Yamaha spezialisiert sich fortan auf die Entwicklung von standfesten Sportmotoren und Karosserien für den Prototypenbau.

Etwas später zwang jedoch ein ernsthafter Einbruch der Roller- und Motorradverkäufe in Japan Yamaha, die laufenden Kosten zu senken und sämtliche Entwicklungen einzustellen.

Durch die finanzielle Notsituation ist sicher auch die „Zwangspartnerschaft“ mit Nissan zurückzuführen, die jedoch nachfolgend zu so manchen erstaunlichen Projekts führte.
Das Cabrio-Verdeck des Roadsters und auch der zuvor von Yamaha entwickelte YX80 Motor, der in den Nissan Cedric wanderte, sind nur zwei dieser Ergebnisse.

Inspiriert durch den Hino Contessa 900 Sprint sollte nun ein gemeinsamer Wagen entwickelt werden (der Nachfolger des Fairlady Roadsters, siehe oben), der ebenfalls den YX80 Motor erhalten sollte – und was als die Ursuppe des A550X zu sehen ist.

Mit im Team waren hierbei KIMURA, der einen Entwurf dafür lieferte, YOSHIDA Fumia, der sich auf den Innenraum konzentriert und HISATERU Ogura, der als Assistent beiden untergeordnet war. Ebenfalls im Team war HANAKAWA Hitoshi, der auf der Seite von Yamaha ebenfalls am Außendesign mitwirkte. Genau wie beim Silvia zuvor war auch dies eine Teamarbeit.


Nachdem Yamaha keine Ressourcen mehr auf die Fertigung des Silvia Produktionsmodells aufwenden musste und dieses an Nissan gegangen war, konnten sie im Frühjahr 1964 die Arbeit am A550X Prototypen fortführen. Mit der Hilfe von Nissan bauten sie ein funktionsfähiges Fahrzeug, ausgestattet mit dem oben beschriebenen YX80 Motor.

Während diese Zeit entstanden 3 Designlinien. Eine etwas spitzere Variante mit Metallkarosserie, ein Nachfolger, der deutlich runder war und eine zweite Version des 2. Designs mit einer Glasfaserkarosserie.
Entworfen wurde diese, neue Variante von GK Design bzw. KOIKE Iwataro.



Ein spannendes Detail dabei ist ein Zitat von YOSHIKAWA Shin (Chronist des Toyota 2000GT), in dem er beschreibt, dass er fest davon ausgeht, dass dieses 3. Auto in Eigenregie von GK Design entstanden ist. Nicht aber während des Nissan/Yamaha Projektes.



Nachdem das Projekt jedoch bei Nissan keinen weiteren Zuspruch fand und sich beide Firmen – Yamaha und Nissan – etwas "auseinander gelebt" hatten, passierte mit dem sogenannten Nissan 2000GT Projekt erst einmal nichts.

Doch dann kam Toyota ins Spiel.
Denn hier brodelte es gerade in der Führungsriege und es sollte mit Hochtouren an einem eigenen exklusiven GT Projekt entwickelt werden. Man wollte weg von Großserienprodukten und hin zu etwas Besonderem.

Toyota wählte im Sommer 1964 den Werksrennleiter KAWANO Jiro aus, um eine kleine Entwicklungsgruppe (anfangs 5 Personen) zu leiten, die das Projekt Toyota 280A entwickeln sollte.
Zeitgleich fasste Yamaha den Entschluss, ebenfalls einen Luxussportwagen zu bauen.
Die Führungskräfte von Yamaha und Toyota kamen überein, ihre Ressourcen zu bündeln und fingen gemeinsam an, die Grundlage des zukünftigen Toyotas 2000GT zu schaffen.

Während dieser Zusammenarbeit zeigte Yamaha die Arbeiten am A550X Projekt, um ihr Können zu präsentieren – worin offenbar Designelemente des späteren Toyotas ihren Ursprung fanden.

Und all das ohne die Leistung von Graf Goertz, der auch darüber nichts in seinem Buch schreibt.


V. Im Zeichen des Z

„The 240Z originated in 1964 as an open-top concept car conceived by German design guru Albrecht Goertz. It was shelved until 1966 when Nissan’s own design studio revived the project – renamed S30 – as a long-nosed coupe with two seats.“
Unique Cars, Mai 2022

Über Jahre stritten Graf Goertz und der Hersteller, welchen Anteil der Designer an der Gestalt des Serienmodells hatte, denn Goertz hatte eine Studie zu dem Sportwagen gestaltet.“
Manager Magazin, 01.02.2011

„Kein Zufall, hatte Nissan doch keinen Geringeren als Albrecht Graf von Goertz an Zeichenbrett gebeten. (…) Sie scheint nun auch in Deutschland angekommen, diese bildschöne Mixtur, die der Graf einst kreiert hatte.“
Oldtimer Markt, Dezember 2019

„Der zwischen 1969 und 1973 produzierte Datsun 240 wurde von Albrecht Graf von Goertz kreiert, der auch den BMW 507 entworfen hatte.“
Berliner Zeitung, 2007

„Die stilistischen Denkanstöße von Albrecht Graf Goertz verarbeiteten die Designer von Datsun zu einem harmonischenErgebnis.“
Oldtimer Praxis, September 1998

„Kein Wunder, denn der Entwurf war eine Weiterentwicklung des von dem legendären Designer Graf Albrecht von Goertz entworfenen Nissan-2000-GT-Projekts.“
AutoClassic, März 2022

„Unterdessen arbeitete Graf Goertz bereits an einem zweisitzigen Sportwagen: halbherzig an einem Cabrio, voller Enthusiasmus an einem Coupe. Das, ganz am amerikanischen Geschmack orientiert, seinen Vorstellungen nach die Form eines Jaguar E mit den Abmessungen eines Porsche 911 zu verbinden hatte.“
Markt - Klassische Automobile und Motorräder, Dezember 1992

„Mit dabei am Zeichentisch: der Deutsche Albrecht Graf Goertz, Schöpfer des legendären BMW 507. Sein Erstlingswerk für den Nissan-Konzern: das Silvia Coupé von 1964, ein hübscher, wenn auch braver Stufenheck-Zweitürer auf Basis der Fairlady, gebaut lediglich 554 Mal. Gar nur 357 Stück entstehen von einem anderen Japan-Sportler, bei dem der große Adelige mit der Hakennase seine Zeichenfinger im Spiel hatte: dem Toyota 2000 GT.“
Alles Auto, Juli 2021

„Für den Entwurf der rein zweisitzigen Karosserie sorgte Albrecht Graf Goertz, jener Mann, der sich mit dem ebenfalls von ihm gestylten BMW 507 die beste nur denkbare Referenz geschaffen hatte.“
Markt Sonderheft, 1987/1988

„Die atemberaubende Linienführung geht auf den deutschen Designer Albrecht Graf Goertz zurück.“
Youngtimerscene, März 2010

„Beispiele für Goertz-Design: BMW 503 und BMW 507; Agfa Fotoapparat; (…) Datsun Silvia, Datsun 240Z;
Fuji Filmkamera, Filmprojektor; Bicicletas Monark Fahrrad; Schulmöbel (…) und Accessoires.“
BMW Group, Pressemitteilung, 03.11.2006

„Fur das Aufsehen erregende Design sorgte kein Geringerer als Albrecht Graf Goertz, der den unglaublichen BMW 507 in Metall gegossen hatte und mit dem Silvia Coupe eine Steilvorlage für den neuen Datsun ablieferte.“
Träume Wagen, Mai 2016

„Dabei war seine unnachahmliche Linienführung genau genommen eine Co-Produktion. Sie basiert auf den Ideen von Albrecht Graf von Goertz, dem Vater der Ikone BMW 507, und einem konkreten Entwurf des Japaners Yutaka Katayama. Das Prestigeprojekt Z sollte einst in erster Linie das Marken-Image von Datsun nachhaltig verbessern.“
Träume Wagen, März 2017

„Nach Deutschland wagte sich die Nissan Motor aus Tokyo erst rund vier Jahre nach der ersten Vorstellung des übrigens
entgegen weit verbreiteten Falschinformationen nicht vom BMW 507-Designer Graf Goertz gezeichneten Sportlers.“
Motor Klassik, Juli 1985

“It (the CSP311) was styled with the help of German designer Albrech Goertz, whou would later shape the first Z-Car”
Comsumer Guide, Datsun Z-Cars, August 1981


Der Graf und der Z. Sein Meisterwerk. Unzertrennlich. In kaum einem Z Artikel wird der Namen des adligen Deutschen nicht genannt. Aber war das schon immer so? Wann ging es damit los und sollte dieser Erwähnung nicht eine Triebfeder für den Verkauf des Zs gewesen sein?

Zumindest würde sich das ja anbieten, würde man meinen. Doch das war nicht so. Denn die Erwähnung des Grafen in Verbindung mit dem Z ging in den USA prominent 1978 los. Und zwar in einem Interview im amerikanischen Car and Driver Magazins. Erschienen in der Novemberausgabe, 1978. Also genau richtig zum Erscheinen des außerhalb Japans betitelten Nissan 280ZX. Interessant, oder? Also zu einer Zeit, als es den Z schon gar nicht mehr zu kaufen gab und alle nach etwas Neuem Ausschau hielten.



„Considering the population density of the island of Manhattan, there are maybe only a thousand people who live four blocks up and just around the corner from Car and Driver Park Avenue office. But as coincidence would have it, one of them just happens to be Albrecht Goertz, the man who, as a consultant to Nissan, designed the original Datsun 240-Z. Because he can be counted upon for strong opinions on automobiles and a fair dose of personal charm besides - we couldn't resist inviting him around for coffee, opening up our file of still-secret 280-ZX photos, and asking him what he thought. Our neighbor goes back a ways in the history of automotive design. He was born Count Albrecht Goertz in Brunkensen, Germany, in 1914, but since the royalty business is usually a bit slow for the second son, he came to the U.S. just before WWII. After various jobs and some design study, he joined Raymond Loewy to work on the 1950-through-1953 Studebakers. But his most notable project by far, prior to the 240. Z. was the beautiful BMW 507 sports car, an open two-seater that stands today as a high point of Fifties design. The 240-Z was actually the second car Goertz did for Nissan. The first (not exported to the U.S.) was the Sylvia coupe, smooth, well-organized shape not unlike the Opel Manta of the early Seventies.

«When that was finished, they wanted to do something different, maybe a sports car. They really didn't know what," Goertz says. "And because they didn't know what, I had a free hand. The two-seater concept wasn't really my idea, but I liked it. I had just finished a stint at Porsche. If you look closely, you'll see that the dimensions of the original 240-Z and the Porsche 911 are about the same. Designs have to start somewhere and the Porsche seemed right.”
Car and Driver, November 1978



Hierzulande war es übrigens schon 4 Jahre vorher eine adelige Angelegenheit, den Grafen zu erwähnen. Und zwar in der auto motor und sport vom Januar 1974.


Hier heißt es: „Karosserie: Linie vom Grafen. Für das Styling des 240 Z ist Graf Goertz verantwortlich – jener hakennasige Adelige, der in den fünfziger Jahren den BMW 507 zeichnete und sich damit ein automobiles Denkmal setzte.“

Diese Publikation untergräbt daher etwas die US-Darstellung vieler Chronisten und stellt ein wichtiges Dokument dar.



Kurz danach, in der rallye racing vom Februar 1974 heißt es zudem:
„Schöpfer dieses ganz und gar unjapanisch aussehenden Autos ist der Deutsche Albrecht Graf Goertz, ein Industrie-Designer.“

Aber was ist das, das "unjapanische" Design? Und was genau ist "japanisches" Design? Gibt es hier eine klare Definition? Oder darf man gar von unterschwelligem Rassismus und der Aberkennung japanischem Designtalents sprechen?

Viel mehr klingt es jedoch nach einer offenbaren Begründung, warum es ganz klar so sein musste, dass der Wagen aus der Feder von Goertz stammt.



Graben wir in der Geschichte noch weiter und schauen unter jeden noch so kleinen Stein. Dann stolpern wir irgendwann in England über das CAR Magazin vom März 1970. Darin sehen wir den ersten europäischen Messeauftritt des 240Z auf der British International Motor Show.
Zu sehen ist dabei ein Wagen mit australischer Spezifikation, zu erkennen an den Spiegeln.
Zu lesen ist aber Folgendes:

„All of which reminds us to observe that there are echoes in the 240Z's styling which incidentally is by Albrecht Goertz, the world famous German-born industrial designer who is remembered for a previous Datsun Silvia coupé and also for the immortal BMW 507 V8 sports car.“


„All das erinnert uns daran, dass es Anklänge an das Design des 240Z gibt, das übrigens von Albrecht Goertz stammt, dem weltberühmten deutschen Industriedesigner, der für ein früheres Datsun Silvia Coupé und auch für den unsterblichen BMW 507 V8 Sportwagen bekannt ist“

Ursprung dieser Legende ist sicher Goertz persönlich gewesen, der, wie auf dem unteren Bild aus der japanischen Publikation des CAR GRAPHIC Magazins zu sehen ist, auf der New York Automobile Show im Jahr 1970 zu Besuch war und Presseleuten von seiner Arbeit berichtete.

Die Messe, um die es auf den Fotos ging, war im April 1970. Also nach dem Erscheinen des britischen CAR Magazins.

Eine Rolle rückwärts? Nicht unbedingt. Denn zuvor gab es div. andere Messen, auf denen Goertz sein Unwesen treiben konnte. So stand der Z u.A. in Kanada und den USA bereits Ende 1969.

Und lesen wir den Untertitel auf dem rechten Bild genau. So heißt es auf Deutsch: „ein beratender Designer für Nissan“ – Huch! Ja, auch japanische Reporter zu dieser Zeit nahmen nicht alles immer ganz genau, war Goertz genau genommen nie als ein „Designer“ eingestellt.


Aber was sagt Goetz? Also was sagt er, wenn er danach gefragt wird?

Im Interview zum 125th Anniversary Limited Edition Grand Piano von Steinway & Sons, 2005, kurz vor seinem Tod sagt Goertz die Worte „Das erfolgreichste Design war für Datsun. Der 240Z.“

In der englischen Übersetzung jedoch finden wir eine leichte, doch für den Mythos typische Umdeutung der Tatsachen. Sie heißt es hier: „My most successful design was for Datsun. The 240Z.“ Er spricht weiter:

„In Japan, zu der Zeit, als ich bei Datsun war (…) war ich der erste Westler, der nach Japan kam und sagte, ich würde gerne mal was für euch entwickeln.“
(Anmerkung: Das Unternehmen nannte sich zu dieser Zeit NISSAN.)

Im Laufe des Gesprächs wird der 92-jährige Goertz gefragt, welches das schwierigste Design war. BMW oder Datsun. Er weicht aus. Antwortet, dass das schwierigste Design, für das er beauftragt wurde, ein Füllfederhalter gewesen sei.

Spricht er also selbst davon, was er getan haben soll? Nein. Gibt es Bilder seiner Entwürfe? Nein. Auch das nicht.

Aber zurück nach Japan. Gehen wir dem Prozess etwas auf die Spur:

Es sind in dieser Geschichte nämlich nicht nur MATSUO Yoshihiko als Leiter des Designteams zu nennen, viel mehr ist an dieser Stelle federführend TAMURA Kumeo als derjenige zu nennen, der unter MATSUO im Styling-Team angesiedelt war. Auf ihn gehen alle Karosserieteile sowie Stoßstangen zurück. Interessanterweise schmückt auch er sich nie mit seinem Werk, so wie es generell in Japan unüblich wäre. Es zählt immer nur die Leistung des gesamten Teams.

In einigen Dokumenten lassen sich aber seine Konzeptzeichnungen sehr gut erkennen und vor allem sieht man deutlich, wie mathematisch die Formen hergeleitet worden sind.



Grundsätzlich muss man dabei aber auch immer im Hinterkopf behalten, wie der Designprozess bei Nissan zu dieser Zeit stattgefunden hat. Es gab nämlich immer mehrere gleichzeitig laufende Designstränge und man versucht, mit unterschiedlichen Teams unterschiedliche Wege zu gehen. Angefangen mit dem Plan A, das ein Roadster war und mehr in Richtung des SP/SR311 gehen sollte. Plan A hatte schon sehr für die markante Scheinwerferform, die später auch am fertigen Z zu finden war.



Plan B hingegen basierte auf der Silvia und nutzte deren Plattform als Basis für das neue Auto.



Plan C war hingegen ein Konzept von und mit YOSHIDA Fumio, aus dem viele Elemente der späteren Seitenlinie hervorgingen. Zusammengefasst heißt das, das Styling des S30 orientiert sich an einer Mischung aus Plan A Frontpartie und Plan C Seiten- und Heckpartie, das war Anfang 1967 bereits, als Pan AC Gestalt annahm. Die komplette Entwicklungsphase ist hier nachzulesen.


Hier zu sehen die Plan AC-2, AC-3 und AC-4 von Mai bis Oktober 1967.

Betrachtet man also diesen Prozess, fällt es schwer MATSUO als den einzigen, echten Designer zu nennen, wie es in einigen Artikel zu lesen ist, wenn es darum geht, den Grafen außen vorzulassen.


„Dessen wahrer Designer, Yoshihiko Matsuo, starb 2020 mit 86 Jahren - als Unbekannter.“
Autobild Klassik 03/2023

Vielmehr war er Leiter des neuen Sportwagenprojektes und fügte die „besten“ Elementen der einzelnen Designtypen zusammen. Zudem lagen auf seinem Schreibtisch noch Verhandlungen mit anderen Abteilungen, interne Präsentationen etc., wodurch wenig Zeit blieb, wie in der Anfangszeit, am Tonmodell zu arbeiten. Gerade in der Anfangszeit stieß TAMURA Kumeo zum Team und übernahm fast jeden Handgriff an der Formsprache des Wagens. Er hatte den Anspruch, jede Stelle, die er berührte, besser und besser zu machen. Dieser Prozess dauerte fast ein Jahr. (Link zur Quelle)



Im späteren Verlauf des Projektes mussten zudem weitreichende Änderungen am Modell vorgenommen werden, um die L20, L24 und S20 Motoren unter die Haube zu bekommen. Außerdem galt es nicht nur den Motor, sondern auch die Einzelradaufhängung samt größerer Spurweite und Platz für Schneeketten zu schaffen, ohne die eigentlichen Proportionen zu verändern.


In all dieser Zeit besuchte Goertz hingegen Japan und Nissan lediglich zwei Wochen alle drei Monate zwischen Mitte 1963 - 194. In dieser Zeit etablierte er neue Methoden des Tonmodellierens, wie weiter oben bereits erklärt. Seine Arbeiten am S30 sind somit an keiner Stelle belegbar oder nachvollziehbar. Man darf diese wichtige „Kleinigkeit“ aber auch nicht zu sehr unter den Teppich kehren, da durch die Einführung der Tonmodelle in 1:1 der gesamte Prozess des Automobildesigns sich in den Nissan-Werken in einem radikalen Wandel befand.

Zusätzlich muss man die verschiedenen Haltungen hinsichtlich eines Designprozesses unterscheiden. Für Goertz ist das ähnlich wie das Malen eines Bildes. Es gibt nur einen Künstler. Egal, ob man den Pinsel schwingt oder ein Auto entwirft. Für MATSUO hingegen ist dies die Leistung eines, seines Teams und es wird kein Einzelner hervorgehoben.



VI. Fazit

Datsun-Experte und Autor Carl Beck, der für viele als eine große Instanz innerhalb der Szene gilt, schreibt folgende Passage am 9. November 2006, kurz nach dem Tod von Albrecht Graf von Schlitz genannt von Goertz und von Wrisberg (27.10.2006) im Forum des Classic Z Car Clubs. (Link zur Quelle):

„I will say that you can not follow the life of Mr. Goertz without developing some level of admiration for him in many regards. In a very real sense, he represented the "Great American Success Story". A Jewish Emigrant from Germany just prior to WW-II he came to America with a somewhat substandard formal education and no real assets other than having a Father that was a German Count. A title he much later inherited, upon the death of his older brother.

While the media like to refer to him as a "German Count"... being German myself and the great grandson of German Emigrants.. I say that Mr. Goertz was indeed an "American"... he became an American Citizen, spent his lifes work here and served in the US Army during WW-II. He also openly expressed his love and admiration for America, the freedoms we enjoy and the great opportunities we offer all our citizens.“

„Ich möchte sagen, dass man das Leben von Herrn Goertz nicht verfolgen kann, ohne in vielerlei Hinsicht eine gewisse Bewunderung für ihn zu entwickeln. Im wahrsten Sinne des Wortes verkörperte er die "große amerikanische Erfolgsgeschichte". Als jüdischer Emigrant aus Deutschland kam er kurz vor dem Zweiten Weltkrieg mit einer eher minderwertigen formalen Ausbildung und ohne wirkliches Vermögen nach Amerika, außer dass sein Vater ein deutscher Graf war. Ein Titel, den er erst viel später, nach dem Tod seines älteren Bruders, erbte. Die Medien bezeichnen ihn gerne als "deutschen Grafen"... Ich bin selbst Deutscher und der Urenkel deutscher Auswanderer. Ich sage, dass Herr Goertz in der Tat ein "Amerikaner" war ... er wurde amerikanischer Staatsbürger, verbrachte sein Lebenswerk hier und diente während des Zweiten Weltkriegs in der US-Armee. Er brachte auch offen seine Liebe und Bewunderung für Amerika zum Ausdruck, für die Freiheiten, die wir genießen, und die großartigen Möglichkeiten, die wir allen unseren Bürgern bieten.“

Nur ob das reicht, um der Selbstmachermarketingmaschine Goertz seinen Umgang mit den kuschelweichen Lügen der Presse zu verzeihen?

Den ersten bekannten Zusammenhang mit Goertz und Nissan findet man übrigens im Artikel „A Designer Decries the Sameness in 66“ vom Automobile Quarterly Ausgabe IV, Nummer 3 1966. Hier heißt es:

„A consultant points out the possible direction a design might take“; Goertz explained. "A staff designer must then work out the final concept based on what is selected and what modifications are to be made. The consultant has one great advantage in not being a regularly employed staff desiger. He can say to the president of the company, "you are wrong", and not worry abou losing his place in the company chart. A staff designer would be required to submit a proposal to his chief, who might then discuss it with a second vice-president, who would in turn consult with a first vice-president, until it finally reached the top - completely different from what it was originally.”
(zum Originalartikel)

Übersetzt heißt das also:

„Ein Berater zeigt auf, in welche Richtung ein Entwurf gehen könnte“, erklärte Goertz. "Ein angestellter Designer muss dann das endgültige Konzept ausarbeiten, das auf den ausgewählten Entwürfen und den vorzunehmenden Änderungen basiert. Der Berater hat den großen Vorteil, dass er kein fest angestellter Designer ist. Er kann dem Präsidenten des Unternehmens sagen: "Sie irren sich", ohne sich Sorgen machen zu müssen, dass er seinen Platz im Unternehmen verliert. Ein angestellter Designer müsste einen Vorschlag seinem Chef vorlegen, der ihn dann mit einem zweiten Vizepräsidenten bespricht, der sich wiederum mit einem ersten Vizepräsidenten berät, bis der Vorschlag schließlich ganz oben ankommt - ganz anders als ursprünglich."

Auch wenn Goertz die Rolle des Beraters und/oder Kritikers ziemlich gut verstand, sah er sich primär als Designer. Goertz betonte, dass ein externer Designer (also genau das, was er bei nicht Nissan war) zwar nicht die Erlaubnis erhält, den von ihm entworfenen Entwurf weiterzuverfolgen und zu bauen, dass aber seine Ideale und Vorschläge durchaus Einfluss auf den Stil und die Gestaltung künftiger Entwürfe haben können. Ein völliger Widerspruch also mit allem, was später berichtet wird.

Goertz hat es schlussendlich zu Lebzeiten verpasst, die falschen Behauptungen zu revidieren. Er hat sich, genau wie die Zeitungsartikel, Bücher und Berichte, darin verrannt, das Geflecht aus Erzählungen und Behauptungen wieder aufzudröseln und widerlegt in seiner eigenen Autobiografie „You've got to be lucky“ diese Behauptungen, ohne es vermutlich selbst zu wissen. So zeigt er auf knapp 7 Seiten Skizzen, Entwürfe und Bilder von Tonmodellen seiner Arbeit am BMW 507. Er veröffentlicht auch seine Originalskizzen seines unaufgeforderten und abgelehnten Porsche-Entwurfs von 1958 sowie Skizzen eines späteren Vorschlags an BMW. Doch, sobald es darum geht, Bilder und Darstellungen vom Design der Nissan Fahrzeuge zu zeigen, passiert nichts. Vielmehr zeigt er nur den Datsun 240Z, fotografiert Jahre nach seiner Rückkehr aus Japan.
Wo ist er also hin, der Stolz und die geschwollene Brust, mit der er sonst gerne hausierte?


VII. Die Gegenstimmen

Zugegebenermaßen gibt es einige Fans von ihm und seiner Arbeit. Sein Einfluss soll dafür gesorgt haben, dass der Z das geworden ist, was er bis heute ist. Eine Ikone und kein langweiliges Brot-und-Butter-Auto.

Dabei spielen es weniger eine Rolle, was Bücher und Fotos zeigen. Dabei geht es um ein Gefühl und darum, dass man auch Büchern und Fotos der Belege anderer Meinungen nicht trauen kann.

Ohne Goertz kein Z und ohne Z kein Spaß an diesem Thema.

Aber worauf fußt diese Einstellung und das Fantum an diesem Mann?
Viele seiner Anhänger berufen sich dabei auf ein persönliches Treffen mit ihm auf div. US-Veranstaltung. Sie beschreiben einen netten Mann, der sich neugierig die Zs der Fans anschaut und Autogrammkarten schreibt.
Ein Mann der Fans und gepresst in eine Rolle, die er selbst nicht verlassen konnte.

Doch Beweise, Dokumente und Fotos? Nach wie vor Fehlanzeige.