VW baut Datsun – Datsun baut VW. Und die Welt steht Kopf.
Irgendwann in den 90er Jahren tauchten die Japaner deutlich spürbar in Deutschlands Straßenbild auf. Natürlich gab es bereits vorher schon vereinzelte japanische Fahrzeuge im Land, doch es brauchte sicher knappe 10 Jahre, bis die Autos aus Fernost ernstzunehmende Verkaufszahlen ablieferten und zeigten, dass sie durch Qualität und Preis doch etwas gegen VW, BMW und die anderen deutschen Traumwagen anbieten konnten.
Doch die Deutschen waren sich nicht so ganz einig darüber, ob sie diesen neuen Marken nun trauen sollte, oder nicht.
So schlug das Herz eines jeden Patrioten doch eigentlich für die Marke aus Wolfsburg: Volkswagen.
Und das, was Volkswagen tut, das ist gut. Und das, was sie wissen, ist richtig. Und eigentlich darf es daneben nicht viel geben und eigentlich sind die Autos aus Japan alle doof.
So oder so ähnlich mag es in einigen Köpfen ausgesehen haben. Und sicher sahen viele eine große Distanz zwischen den beiden Welten. Deutschland und Japan. VW und Nissan. Das passte nicht zusammen. Wieso auch?
Die einen machen etwas vor. Die anderen machen etwas nach. Gemeinsamkeiten gibt es sicher keine. Sollte man denken. Dachte man.
Aber was, wenn auf einmal herauskommen würde, dass VW auf seinen Fließbändern irgendwo auf der Welt für viele glückliche Menschen auf einmal Autos für Nissan bauen würde.
Was, wenn sie das auch für Volvo tun würde und was, wenn VW irgendwann aufhören würde auf diesen Bändern VWs zu bauen und viel lieber das komplette Werk an Nissan abgeben würde.
Unvorstellbar.
Doch genau so war es. In Australien.
Aber jetzt mal ganz irritiert gefragt. WIESO? Und wann? Und überhaupt…
Also von vorne.
Im Jahre 1951 beschließt die Firma Martin & King, ein Eisenbahn- und Waggonbauer, eine Fabrik in Clayton South in Australien zu eröffnen. Ihr Plan: Sie wollen Autos der Marke Jowett Javelin Autos aus England montieren. Doch das Vorhaben geht nicht auf, denn Jowett stellte 1953 die Produktion ein und gab bald darauf das Geschäft komplett auf.
Kurzfristig sah es düster aus für die neu gegründete Firma aus. Doch dann kam Volkswagen und plante, ab 1954 diesen Standort für die eigene Produktion zu nutzen, wodurch der Anteil vor Ort produzierter Volkswagen auf 95 % anstieg.
Eigentlich ein sicheres Geschäft. Doch in den späten 60er Jahren kippte die Stimmung und die Verluste wurden immer mehr. Volkswagen musste umdenken und beschloss, fortan wieder auf importierte Komponenten zurückzugreifen.
Das Werk jedoch blieb bestehen, wurde allerdings von Volkswagen Australien 1968 an die Tochtergesellschaft Motor Producers Ltd. übergeben.
Doch es blieb nicht nur bei einer neuen Leitung. Das ganze Geschäftsmodell änderte sich und man beschloss, die Produktion im Standort etwas zu diversifizieren.
So fertigte man fortan nicht nur VW, sondern u.A. auch Nissan und Volvo.
Doch auch dieses Vorhaben ging nicht in die Geschichtsbücher als großer Erfolg ein. Oder vielleicht doch. Aber für andere. Denn Nissan kaufte im Jahr 1976 die Firma Motor Producers Ltd. und das Werk in Clayton und fertigte hier nun eigene Fahrzeuge für den australischen Markt.
Neben dem Datsun 510 (1970-1972) kam nun auch der Datsun 1000 (1966-1970), Datsun 1200 (1970-1974), Datsun 120Y (1975-1976), Datsun 180B (1972-1976), Datsun 200B (1977-1981), Datsun 200C (1971-1975) sogar der Datsun 240K (1974-1977) aus Australien.
Man kann also mit „etwas“ Glück einen alten L-Motor erwischen, der außerhalb Japans seine ersten Runden gedreht hat.
Aber wieso sah Nissan soviel Potenzial in Australien und was passierte eigentlich nach dieser Übernahme mit den Volkswagen Modellen, die weiterhin in Australien produziert werden?
Wir spulen etwas zurück und landen im Jahr 1964. Zu dieser Zeit förderte der stellvertretende Premierminister und Handelsminister John McEwen die australische Automobilindustrie, die auf den lokalen Markt ausgerichtet war – so gab es zuvor noch strenge Regelungen hinsichtlich der ausländischen Autohersteller, entweder im Land zu produzieren, oder sich einem streng durchgesetzten Quotensystem zu unterwerfen.
So hatte Holden einen Anteil von 42 %, Ford 15 %, British Motor Corporation 12 %, Chrysler 9 % und Volkswagen 8 %. Alle bauten Autos in Australien. Doch die Regelungen änderten sich.
Fortan gab es flexible Schlupflöcher für Kleinserienhersteller und Montagebetriebe. Dies ermöglichte den Markteintritt des Toyota Crown und des Corona von Australian Motor Industries, des Datsun 510 bzw.1600 und anderern Hersteller wie Volvo, Peugeot und Renault.
1972 jedoch gab es den Wunsch der Labour Partei, die Kleinserienhersteller aus dem Markt zu drängen. Doch Toyota und Nissan werten sich. Sie beantragten eine neue Regulierung, die vorsah, dass 85% der Produktion bei einem Neuwagen in Australien geschehen mussten.
Die Politik beugte sich. Und der Druck aus Japan wurde größer. Denn nun kam auch Mitsubishi auf den Kontinent, auf dem Mazda bereits einige Jahre zuvor erfolgreich Autos verkaufte.
So geschah es auch, dass Nissan das finanziell angeschlagene Werk in Clayton übernehmen konnte und das komplette Aktienpaket der Motor Producers Ltd. kaufte.
Doch nicht nur das. Nissan versicherte, die Angestellten zu übernehmen und die laufenden VW-Produktionen weiterzuführen. Das Werk wurde also von Nissan geleitet und fertigte ab 1976 VWs. Wie es zuvor andersherum passierte.
Es gibt also neben den von VW gebauten Datsun 510 auch allerhand Käfer, Golf, Passat und VW Busse, die nun „made by Nissan in Australia“ sind.
Zusammenfassend kann man also sagen, dass Australien sozusagen Nissans Testballon für die globale Strategie in den Exportmärkten war.
Allerdings – zum Glück – lief es anderswo jedoch etwas besser.
Denn Nissan hatte genau wie Volkswagen zuvor wenig Glück in Australien.
Zwar produzierten die Japaner bis 1992 Datsun und später Nissan im eigenen Werk, machten dabei aber auch über eine halbe Million Dollar Verluste während der Produktion in Australien.
Es kam also, wie es kommen musste und Nissan zog sich zurück.